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AutorenbildChristin Berges

Auszeit und Selbstständigkeit: Was du gewinnst, wenn du dich traust

INTERVIEW-SPECIAL MIT BETTINA VON FJELLA


Im Blogartikel erfährst Du:

… warum es sich lohnt, für deine Träume loszugehen.

… wie du in deine Selbstständigkeit starten kannst, wenn dir Sicherheit sehr wichtig ist.

… wie Begegnungen während einer Auszeit dich für deinen Weg inspirieren können.

… wie es sich anfühlt, allein in der Natur zu übernachten.



Fährst Du auch manchmal am Freitagabend deinen Rechner im Büro herunter und fragst dich, wie es wäre, ein anderes Leben zu führen? Etwa dich selbstständig zu machen oder deinen Alltag während einer Auszeit hinter dir zu lassen?

Bettina hat genau das gemacht: Sie ist ein Jahr lang aus ihrem Marketing-Job ausgestiegen und durch die Welt gewandert – durch Neuseeland, Südamerika und über die Alpen. Losgereist mit dem Wunsch herauszufinden, was sie wirklich will, kommt sie zurück nach Berlin – ohne fixen Plan, wie es mit ihrem Leben weitergehen soll.

Doch plötzlich scheint sich alles wie von allein zu fügen. Nach drei Tagen im neuen, alten Leben lernt sie den Mann kennen, mit dem sie heute verheiratet ist. Wenig später wagt sie es, sich gemeinsam mit ihrer Schwester selbstständig zu machen. Die Vision: Etwas mit Bergen muss es sein.

Heute hat Bettina ihr eigenes kleines Unternehmen: Fjella. In ihrem Online-Shop verkauft sie Schmuck, der speziell für Bergfreunde und Wanderer designt ist.


Ein Jahr wandern – wow! Was war dein schönstes Erlebnis während dieser Zeit?

Das Schönste während meiner Auszeit war, immer draußen zu sein. Abends mit dem Sonnenuntergang einzuschlafen und gleich morgens der Natur wieder so nahe zu sein. Das hat mir einfach so viel Kraft gegeben und mich komplett entspannt. Ich kannte meinen Weg für jeden Tag, hatte keinen Druck und die Gewissheit, genug Geld für ein Jahr zu haben. Ich konnte mit meinem Jahr machen, was ich mochte. Ich habe mich sehr frei gefühlt.




Du warst in Neuseeland mit dem Zelt unterwegs. Wie war es für dich, über Wochen überwiegend draußen zu übernachten?

Vor meiner Reise war ich noch nie alleine mit dem Zelt unterwegs und es wurde erst sehr spät vor meiner Abreise geliefert. Bevor es losging, wollte ich aber unbedingt im Wald übernachtet haben und machte zwei Wanderungen im Harz. Unerlaubterweise habe ich in einer Schutzhütte übernachtet. Das war beide Male schrecklich. Beim ersten Mal kam ein Auto vorbei und ich dachte: Das ist bestimmt der Förster und jagt mich hier gleich weg. Ich hatte dann eher vor den Menschen Angst – dementsprechend schlecht habe ich geschlafen. Aber es kam niemand. Das zweite Mal habe ich mir die Hütte mit einer Maus geteilt und ein Gewitter zog auf. Das hielt mich allerdings nicht von meinen Plänen ab und in Neuseeland habe ich mich zum Glück dann schnell daran gewöhnt.


Wie bist du auf die Idee gekommen, Deine Auszeit wandernd zu verbringen?

Inspiriert hat mich das Buch „Wild“ von Cheryl Strayed. Die Autorin erzählt von ihrer Wanderung auf dem über 4200 Kilometer langen Pacific Crest Trail (PCT). [Anm.: Die Geschichte wurde auch mit Reese Witherspoon verfilmt.] Durch das Buch habe ich das erste Mal davon gehört, dass es so weite Wanderungen überhaupt gibt. Für meine eigenen Wanderpläne waren die amerikanischen Fernwanderwege allerdings wegen der Reisezeit raus. Nach Nepal oder Südamerika wollte ich nicht wegen der unsicheren Infrastruktur. Ich wollte einfach unabhängig sein. In Neuseeland war ich vorher schon einmal gewesen und mochte die freundlichen Menschen sehr. Daher ist es dann der Te Araroa geworden, ein 3.000 Kilometer langer Weitwanderweg durch Neuseelands Nord- und Südinsel.


Sicherlich eine Entscheidung, die dich aus deiner gewohnten Komfortzone gelockt hat. Was hat dich in der Zeit besonders herausgefordert?

Wenn es regnet, schwellen die Flüsse auf der Südinsel Neuseelands innerhalb kürzester Zeit sehr stark an. Das kann innerhalb von 30 Minuten passieren und es sterben jedes Jahr Menschen in den Flüssen. Als ich durch den ersten Fluss lief, merkte ich, dass Wasser eine ganz schöne Kraft hat. Einmal war ich alleine unterwegs und musste gleich mehrere Flussarme durchqueren. Erst war auch alles ok, aber dann war ich auf dieser Mittelinsel und dachte dann: Nee, ich glaube, ich komme da nicht rüber. Und dann blickte ich zurück und dachte: Ok, ich komme auch nicht zurück. Es war nicht wahnsinnig tief, es ging mir gerade übers Knie, aber allein diese Wucht. Da hat es mich dann reingezogen und auch ein bisschen mitgeschliffen, aber zum Glück ans Ufer gespült. Danach war Angst, ja Respekt, da.




Wenn du an die Bettina vor und an die Bettina nach der Auszeit denkst – wie hast du dich verändert?

Ohne die Auszeit hätte ich den Schritt in die Selbstständigkeit nicht gewagt. Vorher hätte ich nicht gesagt, dass ich es einfach mal ausprobiere. Ich bin stärker und entspannter geworden. Und ich habe so viele Leute kennengelernt, die ein anderes Lebensmodell haben. Das zu sehen und zu merken, dass das auch klappt, hat mir verdeutlicht, dass ich einfach nur mein eigenes Lebensmodell finden muss. Klar, das ist in der Realität nicht immer leicht umzusetzen. Aber ich habe viel über mich selbst gelernt und über andere, die ich getroffen habe. Die waren anders als die, mit denen ich vorher beruflich zu tun hatte. Das hat mich inspiriert.


Wie ging es dann nach deiner Rückkehr in Deutschland weiter?

Drei Tage nachdem ich wiedergekommen bin, habe ich meinen jetzigen Mann kennengelernt. Der perfekte Mann hat in Berlin nur auf mich gewartet. Er hat dann bei meiner Entscheidung für die Selbstständigkeit auch ein bisschen reingespielt. Er ist auch selbstständig und hat mich sehr unterstützt, weil er die Idee toll fand. Ich habe diesen Rückhalt gebraucht, dass jemand da war, der mir sagt: Mach das.

Zunächst einmal habe ich mich aber auf klassische Marketingstellen beworben. Gleichzeitig hatte meine Schwester den Plan, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Für mich war nach der Auszeit klar: Wenn ich mich selbstständig mache, dann muss es etwas mit Bergen zu tun haben. Als ich ein „normales“ Jobangebot bekam, musste eine Entscheidung her und ich dachte, ich probiere das jetzt einfach mal aus.

Anfangs haben meine Schwester und ich einfach alles, was mit Bergen zu tun hatte, in die Auswahl genommen. Schließlich haben wir uns auf Schmuck für Wanderer und Bergfreunde fokussiert, weil es in diesem Bereich bisher kein Angebot gab. Wir mussten wahnsinnig viel lernen und recherchieren: Wie finden wir eine Designerin? Wie lassen wir den Schmuck herstellen und wo? Wie verpacken wir das? Alles fühlte sich so anders an als in meinem früheren Marketingjob. Plötzlich ging es wirklich um mein Produkt.



Die ersten Wochen und Monate waren sicher sehr aufregend. Wie hat es sich angefühlt, als ihr euer erstes Schmuckstück verkauft habt?

Das war krass. Bei jedem Verkauf dachte ich: Wow, jetzt kauft hier wirklich jemand was aus unserem Shop. Auch heute freue ich mich noch sehr über Feedback, wenn der Schmuck gut ankommt. Dass das so gut ankommt, was ich selber mache oder machen lasse, ist ein tolles Gefühl. Das kann ich manchmal selber nicht fassen.


Fjella gibt es nun seit fast drei Jahren. Welche Vorteile hat die Selbstständigkeit für dich?

Es ist so schön, dass ich so viel selber machen kann, selber entscheiden kann und es so machen kann, wie ich es will. Gleichzeitig ist genau das manchmal schwer, dass niemand da ist, der sagt, so geht’s richtig. Ich recherchiere dann viel. Manchmal kommt das Bauchgefühl, das mir zuflüstert: So machst du das jetzt. Manches ergibt sich einfach. Und ich entwickele mich weiter, man wächst da rein.


Welche Routinen hast du, um deinen Tag zu strukturieren?


Ich kann mich megagut selbst motivieren. Ich hatte nie ein Problem damit, aufzustehen, mich an den Rechner zu setzen und dann einfach alles zu machen. Ich bin ein sehr intrinsisch motivierter Mensch. Daher brauche ich keine Routine, dass ich sage, das es so und so abläuft. Ich mache es einfach. Arbeite aber auch schnell zu viel, weil ich dann nicht aufhören kann und denke: Das muss jetzt aber noch gemacht werden. Aber klar, es gibt Routineaufgaben, die regelmäßig anfallen. Zum Beispiel setze ich mich einmal die Woche hin und plane meine Beiträge für Instagram und setze zweimal im Monate meine Pinterest Beiträge auf.



Mal angenommen, eine Leserin unseres Interviews ist in ihrem Job echt unzufrieden und fragt sich, ob die Selbstständigkeit nicht etwas für sie sein könnte. Was würdest du ihr raten?

Du musst nicht gleich den ganz großen Schritt machen und sofort kündigen. Das machen die wenigsten. Viele fangen ihre Selbstständigkeit nebenbei an. So merkst du, wie es sich entwickelt. Nebenbei kannst du deine feste Arbeit herunterfahren. Erst auf zwei Drittel, dann auf eine halbe Stelle, sofern dein Arbeitgeber es ermöglicht. So musst du dich nicht gleich komplett abhängig von etwas machen, ohne vorher zu wissen, ob es überhaupt funktioniert. Gerade für Menschen, die die Sicherheit brauchen, ist das ein guter Weg. Wenn du gleichzeitig angestellt bist, kannst du in Ruhe testen, ob es etwas für dich ist und was dir Spaß macht. Wenn du genau weißt, was du machen möchtest, fällt der Schritt dann auch leichter.




Jetzt haben wir noch etwas Zeit zum Träumen. Vorausgesetzt alles ist möglich, was wünschst du dir für die Zukunft?

Ich möchte unheimlich gerne in den Bergen leben. Wenn alles möglich ist, würde ich mein komplettes Umfeld, also Freunde und Familie in Berlin, in die Berge versetzen. Oder die Berge kommen nach Berlin…

Vielen Dank, liebe Bettina – das war ein sehr inspirierendes Gespräch!

Bettinas Bergschmuck findest du unter www.fjella.world und auf Instagram @fjellasworld.

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